Festnahme des Telegram-Gründers: Risiken, Chancen und Alternativen für die politische Kommunikation

Telegram wird in Deutschland auch im politischen Raum stark genutzt. Es gilt für viele sogar als die sicherere Alternative, etwa zu WhatsApp von Meta. Umso überraschender kam für viele die Meldung der Festnahme des Telegram-Gründers in Frankreich in der vergangenen Woche. Was ist dran an den Vorwürfen? Sollten politisch Aktive nun den Dienst meiden? Über Hintergrunde, Irrtümer und echte Alternativen.

Die Nachricht von der Festnahme Pawel Durows, des Gründers des Messenger-Dienstes Telegram, am Flughafen Le Bourget bei Paris, hat für großes internationales Echo gesorgt. Der Festnahme vorausgegangen waren Ermittlungen der französischen Justiz. Durow wird beschuldigt, durch mangelnde Kooperation mit Sicherheitsbehörden und unzureichende Moderation der über Telegram verbreiteten Inhalte, Beihilfe zum Drogenhandel, Betrug, Geldwäsche und Vergehen im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch geleistet zu haben. Der 2013 gegründete Messenger, der weltweit mittlerweile fast eine Milliarde Nutzer:innen zählt, steht deswegen immer wieder in der Kritik.

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Der Messenger als Plattform für Kriminalität


Die Faktenlage wiegt schwer: Telegram dient regelmäßig als Plattform für kriminelle Aktivitäten. Von Drogenhandel über den Handel mit illegalen Gegenständen und Dienstleistungen bis hin zu Phishing-Angriffen durch Bots oder Betrug im Zusammenhang mit Kryptowährungen – all das findet über den Messenger statt. Der Vorwurf an die Betreiber; unzureichende Kontrolle, kaum Kooperation mit Behörden und fehlende Moderation des Dienstes.  Anders ausgedrückt: Keinerlei erkennbarer Wille, dem Einhalt zu gebieten.


Besonders letzteres führt dazu, dass sich kriminelle Akteure und Gruppen oftmals ungestört fühlen und wenig Verfolgung zu befürchten haben. Der Austausch von illegalem Film- und Bildmaterial oder extremistischer Inhalte sind weit verbreitet. In vielen Ländern versuchen die Behörden bereits Maßnahmen zu ergreifen, um Telegram dazu zu bewegen solche Inhalte zu löschen oder einzuschränken. Doch diese Versuche sind oft ins Leere gelaufen, da Telegram in der Regel die Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden und anderen staatlichen Institutionen verweigert.

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Telegram und seine politische Bedeutung


Neben seiner Bedeutung für illegale Aktivitäten gewinnt Telegram auch in der politischen Sphäre zunehmend an Relevanz. Während die App viele Jahre ein Insider-Tipp unter Netzaffinen war, führten Telegram-Kanäle mit oftmals falschen oder verdrehenden Inhalten während der Corona-Pandemie zu einer neuen Verbreitung der Plattform in Deutschland – aber auch zu einem neuen Image. Vermehrt wurde sie von Verschwörungstheoretiker:innen und extremistischen Gruppierungen genutzt, um ihre verschwörungsideologischen Inhalte zu verbreiten und Anhänger:innen zu mobilisieren. Die Möglichkeit, riesige Gruppen oder Kanäle mit zehntausenden Teilnehmenden zu erstellen, wurde besonders von der Querdenken-Bewegung und ihren Anhänger:innen genutzt.


So erreichte der Telegram-Kanal des ehemaligen Kochbuchautors und Querdenken-Aktivisten Attila Hildmann Ende 2020 über 100.000 Abonnent:innen. Auch andere Verschwörungsideolog:innen wie die Anhänger:innen der QAnon-Bewegung nutzen Telegram, um ihre Reichweite zu vergrößern und ihre Narrative zu verbreiten. Der deutschsprachige Kanal der QAnon-Bewegung hatte zeitweise knapp 110.000 Abonnent:innen. In diesem Zusammenhang ist radikalisierende Wirkung nicht zu unterschätzen. Auch rechtsextreme und islamistische Gruppierungen verwenden Telegram, um teilweise verfassungsfeindlich und verbotene Inhalte zu teilen und um für Veranstaltungen und Aktionen zu mobilisieren.


Gleichzeitig spielt Telegram aber auch eine wichtige Rolle etwa für Oppositionelle in autoritären Regimen. In Ländern wie Belarus, Iran oder Thailand, wo staatliche Zensur herrscht und soziale Netzwerke regelmäßig blockiert werden, nutzen Aktivist:innen Telegram, um Informationen auszutauschen und Proteste zu organisieren. Besonders die Proteste in Belarus nach den Wahlen 2020 sind ein Beispiel dafür, wie Telegram als Werkzeug für politische Bewegungen genutzt werden kann: Während staatliche Medien die Proteste verschwiegen, Facebook und X (vormals Twitter) blockiert waren, war Telegram eine der wenigen Möglichkeiten, Informationen auszutauschen, sich zu vernetzen und über die Ereignisse zu berichten. Der Messenger-Dienst hatte einen Weg gefunden, die staatliche Netzsperre zu unterlaufen.


Diese Doppelfunktion – einerseits als Plattform für illegale, verfassungsfeindliche und extremistische Aktivitäten, andererseits als Medium oppositioneller Bewegungen in autokratischen Regimen – macht Telegram zu einem kontroversen Fall in der Debatte um die Regulierung sozialer Plattformen.

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Sicherheit und Datenschutz auf Telegram


Obwohl Telegram von sich behauptet, eine sichere Alternative zu anderen Messengern zu sein, gibt es bei näherem Hinsehen mitunter erhebliche Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Viele überrascht diese Erkenntnis regelmäßig, vor allem in Deutschland, da Telegram immer den genau gegenteiligen Ruf innehatte, besonders sicher zu sein. Es zeigt sich aber: Telegram speichert zahlreiche Daten, darunter IP-Adressen, Gerätedetails, Kontaktlisten und Metadaten, die Aufschluss darüber geben, mit welchen Gruppen und Kanälen Nutzer:innen interagieren. Diese Daten werden nach eigenen Angaben bis zu 12 Monate auf den Servern von Telegram gespeichert, wobei der genaue Standort der Server und ob die Daten tatsächlich gelöscht werden unklar bleibt.


Besonders problematisch ist, dass Chats nicht standardmäßig Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind, wie es beispielsweise WhatsApp nach vielem, öffentlichen Druck seit 2016 macht. Nur sogenannte „geheime Chats“ bieten diese Form der Verschlüsselung, doch viele Nutzer:innen sind sich dessen nicht bewusst oder scheuen den Aufwand. Die Standard-Chats, die die meisten von uns nutzen, sind lediglich serverseitig verschlüsselt. Dies bedeutet, dass Telegram mindestens theoretisch auf die Inhalte zugreifen kann, was ein erhebliches Datenschutzrisiko darstellt.


Hinzu kommt, dass Telegram standardmäßig auf die Kontaktliste der Nutzer:innen zugreift, was in Kombination mit der fehlenden Transparenz über den Standort der Server und den Umgang mit den Daten weitere Sicherheitsbedenken aufwirft. Besonders für Politiker:innen, die oft mit vertraulichen Kontaktdaten umgehen, ist dies ein nicht zu unterschätzendes Risiko.

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Warum Telegram für die interne Kommunikation ungeeignet ist


Aufgrund der aufgezeigten Schwächen in puncto Sicherheit und Datenschutz können wir Politiker:innen Telegram nicht für die interne Kommunikation empfehlen. Sensible Daten wie Absprachen, strategische Überlegungen und vertrauliche Informationen (etwa von nicht-öffentlichen Sitzungen) sollten über sichere, Ende-zu-Ende-verschlüsselte Plattformen ausgetauscht werden. Auch vertrauliche Anhänge und Dateien unterlaufen bei Telegram erhebliche Risiken.


Dazu speichert Telegram nicht nur Informationen darüber, in welchen Gruppen Nutzer:innen Mitglied sind und wie sie die App verwenden, sondern erfasst auch technische Daten über die verwendeten Geräte. Selbst wenn die Inhalte der Nachrichten verschlüsselt sind, könnten solche Daten Rückschlüsse darauf zulassen, mit wem und wann kommuniziert wurde. Telegram bietet hier nicht den nötigen Schutz und erfüllt nicht die hohen Anforderungen an Datensicherheit, die in der politischen Kommunikation notwendig sind. Auch das Recht auf Löschung laut DSGVO ist kritisch, laut Telegram selbst wird der Support „von Freiwilligen betreut“.

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Telegram für die Öffentlichkeitsarbeit nutzen: Chancen und Herausforderungen


Während Telegram erhebliche Mängel für die interne Kommunikation aufweist, bleibt es für Politik dennoch ein wichtiger Faktor in der Öffentlichkeitsarbeit. Wenn weite Teile der Bevölkerung darüber ihre Informationen erhalten, ist ein Fernbleiben oftmals auch ein Überlassen des politischen Raumes, der Telegram ist, anderen. So können über „Telegram-Kanäle“ politische Inhalte geteilt und Veranstaltungen oder Kampagnen bekanntgemacht werden. Die Möglichkeit, große Gruppen und Kanäle zu erstellen, ist besonders attraktiv um Informationen ohne Filter direkt an die Zielgruppe versenden zu können.


Um jedoch erfolgreich einen Telegram-Kanal zu betreiben, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:


  • Bevor Sie einen Telegram-Kanal einrichten, sollte zuvorderst geprüft werden, ob die gewünschte Zielgruppe tatsächlich auf Telegram aktiv ist. Beispiel: Wird Telegram in meinem Ort, wo ich Kommunalvertreterin bin, überhaupt genutzt? Gibt es andere, weiter verbreitete Kanäle rund um meine Partei? Wen könnten wir durch Telegram erreichen, der uns wichtig ist, aber bisher kaum erreicht wird?

  • Ein Kanal sollte regelmäßig mit Inhalten gefüllt werden, um relevant und wahrnehmbar zu bleiben. Dies erfordert Zeit und personelle Ressourcen. Sie sollten daher sicherstellen, dass Sie oder Ihr Team die Kapazitäten haben, den Kanal aktiv zu halten und mit aktuellen Informationen, Ankündigungen und Diskussionen zu füllen.

  • Um die Abonnent:innen zu binden, können auch interaktive Elemente wie Umfragen, Fragerunden oder die Möglichkeit zur Diskussion angeboten werden. Dies erhöht das Engagement und macht den Kanal attraktiver für die Zielgruppe. Aber auch dies ist mit einem Ressourcenaufwand verbunden, der vorher abgeklärt werden sollte.


Dazu ein Tipp: Auch WhatsApp bietet seit Anfang des Jahres sehr erfolgreich die Funktion der Kanäle an.

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Welche Alternativen gibt es? 


Womit wir bei den Alternativen wären: Für die interne und vertrauliche Kommunikation gibt es mehrere Messenger-Dienste, die hinsichtlich des Datenschutzes und der Sicherheit bessere Alternativen zu Telegram darstellen. Diese Messenger unterscheiden sich jedoch in ihrer Benutzer:innenfreundlichkeit, der Art ihrer Finanzierung und der Transparenz ihrer Technologie. Gerade für die alltägliche politische Arbeit ist es wichtig, Messenger auszuwählen, die keine Kompromisse bei der Sicherheit eingehen, aber auch praktisch in der Anwendung bleiben.


Signal gilt als eine der sichersten Lösungen, da es standardmäßig Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für Nachrichten, Anrufe und Dateitransfers bietet. Der große Vorteil von Signal ist seine Quelloffenheit, die es externen Sicherheitsexpert:innen erlaubt, den Quellcode zu prüfen und Sicherheitslücken frühzeitig zu erkennen. Zudem wird Signal von der Signal Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, entwickelt und ist somit unabhängig von kommerziellen Interessen oder Werbeeinnahmen. Allerdings verlangt der Dienst zur Registrierung eine Telefonnummer, was für Nutzer:innen, die absolute Anonymität suchen, problematisch sein kann. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Signal Foundation ihre Satzung sowie ihre Jahres- und Finanzberichte nicht veröffentlicht, was Fragen zur Transparenz und zur langfristigen finanziellen Nachhaltigkeit des Dienstes aufwirft, da Signal vorwiegend durch Spenden finanziert wird.


Threema bietet eine sehr datenschutzfreundliche Alternative an. Ein großer Vorteil ist, dass Threema keine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse zur Registrierung benötigt, was für Nutzer:innen, die wenig ihrer Daten preisgeben möchten, ideal ist. Die Nachrichten werden auf den Geräten lokal gespeichert und nicht auf Servern, was das Risiko eines Datendiebstahls verringert. Auch hier kommt Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Einsatz, um Nachrichten und Anrufe abzusichern. Die Server von Threema befinden sich in der Schweiz, einem Land mit strengen Datenschutzvorschriften. Allerdings ist Threema nicht quelloffen. Threema finanziert sich über den Verkauf der App und bietet zusätzliche kostenpflichtige Business-Versionen für Organisationen an, die erweiterte Funktionen wie Gruppenmanagement und Teamkoordination benötigen.


Wire stellt ebenfalls eine datenschutzfreundliche und flexible Lösung dar, die speziell für Teamarbeit und die Organisation von Gruppen geeignet ist. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist auch bei Wire der Standard. Der Quellcode von Wire ist quelloffen und wird regelmäßig von unabhängigen Stellen geprüft, was zusätzliche Sicherheit gewährleistet. Wire gehört einem Schweizer Unternehmen, das den Messenger in Berlin entwickeln lässt, und finanziert sich über kostenpflichtige Business-Optionen. Wire wird allerdings auf AWS-Servern (Amazon Web Services) in der EU gehostet, was bei einigen Nutzer:innen Zweifel an der vollständigen Datensouveränität hinterlässt.


WhatsApp ist einer der bekanntesten Messenger-Dienste weltweit und bietet seit einigen Jahren standardmäßig Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für Nachrichten an. Allerdings gibt es wesentliche Kritikpunkte, die WhatsApp im Vergleich zu anderen Alternativen weniger geeignet machen, besonders für die politische Kommunikation. Da WhatsApp im Besitz des Meta-Konzerns ist, gibt es immer wieder Bedenken hinsichtlich der Datensammelpraktiken des Unternehmens. Auch wenn die Inhalte der Nachrichten verschlüsselt sind, erhebt WhatsApp umfassende Metadaten, wie zum Beispiel, wann und mit wem kommuniziert wird. Diese Informationen werden mit Meta geteilt. Dies wirft Datenschutzfragen auf, die insbesondere für die Arbeit mit sensiblen Daten und Kontakten problematisch sein können. Ein weiterer Kritikpunkt ist die enge Verknüpfung mit anderen Diensten des Meta-Konzerns, wie Facebook und Instagram, was Bedenken hinsichtlich der Datenaggregation über verschiedene Plattformen hinweg ausgelöst hat. Diese Kritik hat zu einem Abwandern vieler Nutzer:innen zu alternativen Diensten geführt. Trotz der hohen Verbreitung und Nutzerbasis bleibt WhatsApp in Bezug auf Datenschutz und Transparenz hinter anderen Messenger-Alternativen zurück.

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Kommunikation sicher und effektiv


Alle Alternativen zu Telegram haben ihre eigenen Schwächen, die bei der Wahl des richtigen Dienstes berücksichtigt werden sollten. Besonders die Transparenz (quelloffener Code) und die langfristige finanzielle Tragfähigkeit der Anbieter sind wichtige Faktoren, um eine informierte Entscheidung treffen zu können. Funktionen der Gruppen-Administration erleichtern zu dem das Managen der politischen Organisation.

 

Die Wahl der richtigen Kommunikationswerkzeuge ist entscheidend. Während Telegram aufgrund seiner Reichweite und Flexibilität ein nützliches Werkzeug für die Öffentlichkeitsarbeit sein kann, ist es für die interne Kommunikation weitestgehend ungeeignet. Alternativen wie Signal, Threema und Wire bieten demgegenüber die notwendige Sicherheit und den Datenschutz, um sensible Informationen und Daten zu schützen.


Politiker:innen sollten sich der Risiken bewusst sein, die mit der Nutzung von Telegram einhergehen, und ihre Kommunikationsstrategien entsprechend anpassen. Eine größere Herausforderung ist es sicher, die eigene Organisation und Mitstreitende davon zu überzeugen, auf einen anderen Messenger zu wechseln, wenn Telegram aktuell intensiv genutzt wird. Ebenso sind viele auch davon abhängig, was Externe nutzen, etwa Journalist:innen oder Verbände.


Gerne begleiten wir Sie in diesem Prozess. Buchen Sie jetzt einen Termin, um mehr über den sicheren Einsatz von Kommunikationsplattformen in der politischen Arbeit zu erfahren.

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