(2/3) Ein Jahr ChatGPT: Was erwartet uns in 2024 und darüber hinaus?

Ein Jahr Chat GPT. Zu diesem Anlass bringen wir eine 3-teilige KI-Beitragsreihe zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) heraus. In dieser Beitragsreihe wollen wir Ihnen einen Einblick in die Hintergründe von Chat GPT und KI geben. Im heutigen zweiten Teil unserer Reihe fragen wir uns: Wohin wird sich KI entwickeln, wie viel müssen wir erlernen – und welche Fragen sind noch vollkommen offen.

Teil 1 • Teil 2 • Teil 3


Während wir im ersten Teil geklärt haben, dass KI eine durchaus wechselvolle Entstehungsgeschichte hat, können daraus auch erste Erkenntnisse abgeleitet werden, wohin sich die Technologie entwickelt kann und worauf es zu achten gilt. Denn obwohl wir davon ausgehen können, dass weitere Neuheiten aufkommen, die sich uns erst einmal nicht erklären, helfen uns grundsätzliche Muster, diese schnell einzuordnen.

Wer sich mit KI-Expertin:innen dieser Tage unterhält, bekommt oft zu hören: KI wird ein Querschnittthema sein, welches nahezu in all unseren Bereichen im Alltag eine Rolle spielen wird. Daraus ist natürlich eine gute Portion an Technologiegläubigkeit und vielleicht ja auch -verliebtheit zu hören. Aber bei genauerer Betrachtung, ist das wohl gar nicht so falsch. Dabei geht es nicht nur darum, ob wir KI überhaupt zulassen wollen. Vielmehr wird es darum gehen, wo wir darauf überhaupt noch einen Einfluss haben.

⁎⁎⁎

⁎⁎⁎

Wenn Technik so oft genutzt wird, dass es kein Entrinnen gibt


Ein Beispiel aus der früheren Technologiegeschichte: Bei der Einführung der E-Mail hieß es, dass statt der vielen Briefe, nun alles viel schneller und viel einfacher werden wird. So hatte ein gewöhnliches Büro eines mittelständischen Unternehmens etwa 10 Briefe am Tag zu bearbeiten, dazu ein paar Faxe. Heute erhalten wir im Schnitt über 100 E-Mails am Tag, denn auch für alle anderen wurde es leichter, uns zu kontaktieren. Jetzt stellen wir uns mal vor, wir würden es ablehnen, per E-Mail erreichbar zu sein – wie viel Prozent der Bevölkerung kann sich das erlauben?


Wenn wir nun alle kleine Assistenten in unseren Hosentaschen mit uns führen und diese allesamt auch noch miteinander vernetzt sind, wer hat den Luxus, sich diesem zu entziehen? Unternehmen werden es nicht können, Privatpersonen werden es oftmals nicht wollen und auch die Politik, die sich traditionell mit am schwersten mit der Digitalisierung tut, weil sie auch prima ohne konnte, wird erleben, wie einige schneller sein werden – und dadurch Vorteile bei Wahlen und der Beeinflussung von Wähler:innen ableiten.

⁎⁎⁎


Jetzt keinen Artikel der Woche mehr verpassen und ins PolisiN-Update eintragen:


⁎⁎⁎

Von der alltäglichen Verwendung bis zur Spezialisierung


Wichtig ist dabei, zwei Themen zu unterscheiden: Sich allgemein mit der Technologie auszukennen, als sie auch bis ins letzte Detail zu durchsteigen. Die meisten werden nur selten direkt damit befasst sein, sämtliche KI-Tools zu beherrschen sowie die Technologie dahinter zu verstehen oder gar bedienen zu können. Zentrale Kenntnisse über professionelles Prompting, also möglichst jede KI schnell und effizient zu nutzen, wird in etwa so verbreitet sein, wie die professionelle Verwendung von Photoshop. Viele Dienste werden daher auf eine Vereinfachung und damit auch Lenkung der Prompts setzen, so wie es auch viele einfachere Grafikprogramme gibt wie bspw. Canva.


Dazu wieder ein Beispiel: Viele Smartphones machen ausgezeichnete Fotos. Allerdings liegt das weniger an den vielen Einstellungsmöglichkeiten. Denn sind wir ehrlich: Kaum einer kennt sich mit Themen wie Brennweite, Blende oder auch ISO-Werte aus. Viele Hersteller verzweifeln sogar am Verhalten der Nutzenden, weil diese nicht einmal auf dem Touchscreen das Objekt anklicken, welches im Fokus sein soll – und sich dann über mangelnde Qualität aufregen. Das hat dazu geführt, dass Software nach Wahrscheinlichkeit berechnet, was der Schnappschuss beabsichtigte: Personen, Gebäude, Natur. Mitunter ergänzt es einfach, was fehlt, wie im Falle des Monds bei den Samsung Galaxy Handys. KI wird daher ähnlich verstehen, woran die meisten beim Prompting scheitern und dem entgegen treten mit Lösungsoptionen, während Profis in der Lage sein werden, KI nicht nur selbstbestimmt zu nutzen sondern auch für die eigenen Zwecke zu programmieren.

⁎⁎⁎

KI muss immer weiter spezialisiert werden


Auf diese Weise werden viele Bereiche der KI auch in unseren Alltag treten können. Das betrifft vor allem den ganzen Bereich der Automatisierungen und der Übernahme von einfachen Aufgaben. Was einst Apple mit Siri versprach, sind echte Sprachassistenten nun tatsächlich „klug“ genug, um uns tatsächlich unter die Arme zu greifen. Auch Kalender, Buchungen, E-Mails – die Liste an Möglichkeiten sind erstmal an keine Grenzen gebunden, was auch die täglich 200 neuen KI-Startups weltweit unterstreichen (wovon aber ganz sicher die wenigsten dauerhaft am Markt bleiben werden, mit den üblichen Bewegungen).


Was viele aber dabei übersehen: ChatGPT&Co werden dabei nicht alles übernehmen. Vielmehr werden sie als "allgemeine KI" zwar immer recht zutreffende Ergebnisse liefern können, aber es wird viele Fälle geben, da muss es auf den Punkt genau sein: Gesetzesvorlagen, Prüfanträge, Dosiers. Hier kommt es wieder aufs Training an und Sam Altman, der CEO von OpenAI, spricht bereits davon, dass seine Firma das nicht alles alleine schaffen kann oder will. Vielmehr liefert es mit GPT einen Grundstock als “allgemeine KI”, damit andere Firmen eine Art “spezialisierte” KI aufsetzen können.


Das kann dann Marketing sein, Buchhaltung, Justiz oder auch Politik. Damit ein LLM auch Vorschläge für Kommunen, eine Gesetzesreform oder Optionen auf Krisensituationen entwerfen kann, zudem es technisch bereits jetzt in der Lage ist, müssen die konkreten Daten von “vor Ort” eingepflegt und aufbereitet werden. Auch hier müssen wieder viele Stunden darauf verwendet werden, Antworten der KI einzustufen und es dadurch zu verbessern. So, wie wir alle dieser Tage, allein oder im Team, organisatorische Aufgaben erledigen müssen, vom Abheften bis zum Eintragen, werden wir im Alltag immer auch eine Zeit damit verbringen, KI zu trainieren – einfach entlang der Prozesse. Denn während ich bspw. ein Ergebnis von KI überprüfe und ggf. korrigiere, wird diese sich etwaige Fehler merken und bei guter Aufbereitung dafür für die Zukunft lernen.

⁎⁎⁎

KI in Bildung und Wissenschaft

 

Aber auch Schulen oder Universitäten kämpfen bereits damit, wie sie mit KI umgehen sollen. So stellt sich vielen dieser Tage die Frage ob etwa in Arbeiten ein LLM genutzt wurde. Denn natürlich haben Schüler:innen und Studierende das Tool mit zuerst für sich entdeckt, um die Unmengen an Schreibaufgaben zu vereinfachen. Allerdings steht zur Debatte, ob damit nicht eigentlich das bisherige Abfrage-Modell der Leistungserbringung infrage steht. Denn auch wenn manche Anbieter versprechen, eine Erkennungssoftware für ChatGPT entwickelt zu haben, ist bisher keine davon rechtlich so sicher, dass eine Aberkennung der Leistung auch vor Gericht bestand hätte. Da KI bspw. auch ermöglicht, Lernfortschritte zu erfassen und sich permanent neue Aufgaben auszudenken, steht eigentlich unser auf Großgruppen ausgerichtetes Bildungssystem mitsamt seinem „Nürnberger Trichtermodell“ stark auf der Überprüfungsliste.


Das gilt ebenso für den wissenschaftlichen Betrieb. Dieser ist in den vergangenen Jahrzehnten neben den Naturwissenschaften auch in den Geisteswissenschaften zunehmend von der normativen zur empirischen Forschung übergegangen. Zudem gibt es vermehrt Kritik, dass Forschende sich zunehmend weniger trauen zu veröffentlichen, wenn eine These durch Experimente nicht bestätigt werden konnte, sodass aus den Fehlern gelernt werden könnte. Die Dauerschleife aus Thesen, Experiment und Ergebnispräsentation kann grundsätzlich aber auch KI übernehmen. So wird auch in der Wissenschaft von einem exponentiellen Wachstum der Forschungsleistungen ausgegangen – mit ungeahnten Folgen. Wenn bspw. die Krebsforschung um den Faktor 100 beschleunigt wird, können wir aktuell noch gar nicht greifen, was das eigentlich bedeutet. So besagt eine Studie, dass nun dank KI allein anhand der Veränderung der Stimme mit hoher Wahrscheinlichkeit Diabetes prognostiziert werden kann.

⁎⁎⁎

Die zentrale Frage: Wem gehören die Daten

 

Viele Themenbereich der KI führen aber auch zu einem spannenden Kern: Wem gehören die Daten dahinter? Nicht nur aus Sicht des Datenschutzes sensibler personenbezogener Daten (wie soll hier das Recht auf individuelle Löschung funktionieren?) oder des Urheberrechts – sondern, wessen Software darf so viel wissen und dadurch können, dass es anderen gegenüber einen Vorsprung hat und diesen auch bspw. in Form einer Marktmacht ausüben kann? Wer sichert zudem, dass diese Firmen hochgradig ethisch handeln und bspw. im Wahlkampf stets bei den Fakten bleiben – das schaffen hierzulande nicht mal alle demokratischen Politiker:innen. Die Debatten um Fake News und Deep Fakes, bei denen Video und Tonspuren täuschend echt nie stattgefundene Aussagen von real existierenden Menschen vortragen, fangen gerade erst an.


Es geht also nicht darum, dass KI zu mächtig wird, in dem es einen eigenen Willen und Bewusstsein entwickelt – was technisch eben nicht möglich ist – sondern um die Gefahr, dass einzelne Anbieter so viel über uns wissen und wir deren Dienste derart brauchen, dass sich neue Verteilungsfragen stellen. Das freie Internet, welches seit über 20 Jahren effizient immer neue Monopole auf einzelne Bereiche schafft, wird sich erneut in seiner Grundstruktur hinterfragt sehen. Gerade verklagen über 30 Bundesstaaten den Meta Konzern und wollen nichts weniger, als dass die Algorithmen derart verändert werden, dass laut Meinung vieler damit quasi das gesamte Geschäftsmodell infrage gestellt wäre. Zudem verlangen immer mehr US-Senator:innen das Aufspalten von Konzernen wie Meta, die in diesem Fall neben Facebook und Instagram auch WhatsApp und das VR-Unternehmen Oculus besitzen und damit eine unglaublichen Einfluss auf Milliarden von Menschen haben.


Die Frage ist heute schon: Ist das überhaupt noch möglich? Hat Politik die Kraft, das Netz stärker zu demokratisieren? Und wie sieht ein demokratisches Internet dann überhaupt aus? Etwa in der Form, wie das ZDF mit anderen gerade versucht, ein europäisches Twitter zu entwickeln? Können Kunden bestehender Unternehmen davon überzeugt werden, ihre Daten mit dem Staat zu teilen? Und was, wenn staatliche Dienste bewusst deutlich weniger Daten sammeln, aber dafür eben weniger effizient Vorschläge zum Essen gehen, Filme gucken und Schuhe kaufen anzeigen? Und wenn es hier schon derart viele Fragen gibt, wie sieht das mit der KI aus? Haben wir überhaupt noch eine Chance, hier einzugreifen? Vielleicht kennt ChatGPT ja die Antwort.

⁎⁎⁎

⁎⁎⁎

KOMMEN WIR INS GESPRÄCH

Jetzt Wunschtermin sichern!

Share by: